Wir leben in “a data-rich environment”. Es ist Ben Bernanke – damals noch nicht Präsident der Amerikanischen Zentralbank – der Anfang des neuen Jahrtausends einen Artikel mit diesem Titel verfasst, den wenige Jahre später, kurz vor der Finanzkrise, Jean Claude Trichet – damals noch Chef der EZB – zustimmend zitiert. Eine datenreiche Umwelt. Scheinbar ein banaler Befund, der aber heute vor allem als Warnung erscheint. Gab es eine Zeit, in der das nicht so war, die Umwelt also noch voller – ja was eigentlich – vielleicht voller Gegenstände war?
Dieses Heft versammelt Berichte von Menschen, die wissen wollten, wie es anderen Menschen ergeht, unter welchen Umständen sie wohnen und leben und das nicht nur vom Hörensagen, sondern die aufgebrochen sind, um sich mit eigenen Augen ein Bild zu machen, – und es enthält Texte, die unmittelbar auf solchen Berichten aufbauen.
Was bringt Menschen dazu, sich Erfahrungen auszusetzen, die neu und ungewohnt sind, in unbekannte Welten aufzubrechen, körperlich wie geistig, obwohl es höllisch unbequem sein kann und jede Menge Verunsicherung mit sich bringt? Was ist ihre Triebkraft – und direkt im Anschluss daran: Was war unsere Triebkraft, dieses Heft zu machen?
Neugierde? Ein brennendes Interesse an den anderen Menschen? Neugierde ist sicherlich eine (nicht nur) anthropogene Konstante, wahrscheinlich ist sie eine Konstante des Lebens überhaupt, ein Motor seiner Entwicklung – entgegen dem negativen Beigeschmack, der ihr gern verliehen wird. Auch das Interesse am Anderen gehört zur anthropogenen Grundausstattung – notwendigerweise, schließlich sind die Menschen aufeinander angewiesen. Diese beiden Faktoren liefern durchaus eine ausreichende Erklärung, aber es soll hier um mehr noch gehen. Warum also Empirie, und vor allem, warum politische Empirie? Oder anders gefragt: Gibt es denn im Zusammenhang mit sozialen Verhältnissen auch eine unpolitische Empirie?